Die Ortschaft Khajuraho (Bundesstaat Madhya Pradesh) setzt sich aus den drei Tempelgruppen („Westliche Gruppe“, „Östliche Gruppe“, „Südliche Gruppe“), dem alten Dorf sowie den touristischen Quartieren zusammen. Seit Kurzem verfügt der Ort über einen etwas außerhalb gelegenen eigenen Gleisanschluss. Bis dahin war es nötig entweder von Mahoba, Harpalpur, Jahnsi oder Satna mit dem Bus anzureisen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit den Ort auf dem Luftweg von Delhi, Agra oder Varanasi zu erreichen. Der Flug von Delhi kostet ca. 50EUR und dauert an die drei Stunden – Verspätungen nicht mit eingerechnet ;-) Das Gebiet vor dem eigentlichen Dorf ist geprägt von Hotels gehobener Ketten, wie Radisson oder Hilton, im Ort selbst bestimmen die üblichen Backpackerunterkünfte das Bild. Die weltberühmten Tempelanlagen gehen auf die Chandela-Dynastie (ab etwa 900) zurück und fielen nach langer, etwa 500jähriger, Friedenszeit den Angriffen der Moguln zum Opfer. Einst umfasste der Bezirk 85 Heiligtümer – von denen heute 25 erhalten sind. Erst im Jahre 1838 wurde die vom Dschungel überwucherte und verlassene Anlage vom Briten T.S. Burt wiederentdeckt. Was heute die Hauptattraktion darstellt, war in der prüden victorianischen Zeit noch Stein des Anstoßes: Die Vielzahl der erotischen Darstellungen an den Tempeln, welche auf den Tantrismus, einen esoterischen Form des Hinduismus zurückgehen.
Das Prunkstück des zum UNESCO-Welterbe gehörenden Ensembles ist die „Westliche Gruppe“, für die als einzige am Ort Eintritt verlangt wird. Die Anlage befindet sich in einem äußerst gepflegten Zustand und kann auch im Rahmen einer Führung besichtigt werden (daneben stehen Audioguides zur Verfügung). Der riesige hervorragend erhaltene Lakshma-Tempel – geweiht dem Gott Vishnu – wurde nach etwa 20-jähriger Bauzeit um 954 fertig gestellt. Wie bei den anderen Tempeln der westlichen Gruppe auch, zieren den Tempel äußerst detailliert gearbeitete Szenen, welche zumeist den Bereichen Krieg, Religion oder Sexualität entnommen sind. So beobachtet man in die Schlacht ziehende Soldatenheere, einen Mann, der eine Stute begattet, einen Elefanten, der ein Paar beim Akt beobachtet sowie etliche üppige weibliche Figuren in alltäglichen und weniger alltäglichen Posen. Die Offenheit, mit der im Indien vor über 1.000 Jahren mit Sexualität umgegangen wurde mag angesichts der eher schamhaften Art der heutigen Inder überraschen. So kommt es in Khajuraho nicht selten vor, dass man junge männliche Besucher kichernd vor den Abbildungen beobachten kann. Neben dem Lakshmana-Tempel beeindruckt der etwas jüngere Kandariya-Mahadev-Tempel, welcher der größte aller Anlagen ist und außerdem über die meisten Darstellungen der der unterschiedlichsten sexuellen Praktiken verfügt. Auf dem Rundweg durch die parkähnliche Anlage stößt man auf den kleinen Mahadeva Tempel, mit der Darstellung einer sardula, die einen Löwen verführt, den Devi-Jagadamba-Tempel (Parvati geweiht), den dem Sonnengott Surya geweihten Chitragupta-Tempel, den Parvati-, Vishvanath-, Mantangesvara- und Lalguan-Tempel.
Alle Heiligtümer sind auf ihre Weise einzigartig und geben bei längerer Betrachtung immer mehr von ihren Eigenarten und Details preis. Nicht versäumen sollte man außerdem den Vahara-Schrein: Er befindet sich gegenüber dem Lakshmana-Tempel und enthält eine Darstellung Vishnus in seiner Inkarnation als Eber. Die detailgenaue Bearbeitung der massiven Statue aus dem 8./9. Jahrhundert lässt jeden Besucher aufs Neue staunen!
Die „Östliche Gruppe“ ist die zweitgrößte Khjaurahos Sie verteilt sich weitläufig rund um das alte Dorf und besteht aus fünf hinduistischen und drei jainistischen Tempeln. Zu den hinduistischen zählen der Hanuman-Tempel mit seiner 2,5 Meter hohen Darstellung des Affengottes, der Brahma-Tempel – eines der ältesten Bauwerke des Ortes – der Javari-Tempel, der Vamana-Tempel und der Ghantai-Tempel. Die jainistischen Anlagen der „Östlichen Gruppe“ (der Jainismus wurzelt wie der Buddhismus im Brahmanismus und zählt in Indien etwa 4,2 Millionen Gläubige) sind, wie die hinduistischen auch, deutlich kleiner und weniger mit erotischen Details übersäht als ihre Verwandten der „Westlichen Gruppe“, doch bestechen sie ebenso durch ihre feingliedrigen meisterhaft gearbeiteten Details: Frauen entfernen sich einen Dorn aus dem Fuß, andere schminken sich ihre Augen. Zu entdecken gibt es diese und andere Darstellungen im Parsvanath-Tempel, dem größten jainistischen in Khajuraho. Die beiden weiteren Tempel der Jainas (Adinath- und Shanti-Nath-Tempel) schließen sich in direkter Folge an und sind ebenfalls einen Besuch wert. Die letzte, die „Südliche Gruppe“, befindet sich etwa einen Kilometer von der jainistischen Anlage entfernt. Sie ist die jüngste des Ortes und weitaus weniger kunstfertig ausgestattet. Duladeo-, Chaturbhuja- und Bijamandala-Tempel sind teilweise unvollendet und deuten auf den langsamen Niedergang des Ortes als religiöse Stätte hin. Zu erwähnen ist, dass der Chaturbhuja-Tempel der einzige Khajurahos ist, dessen Architektur vollkommen auf erotische Darstellungen verzichtet. Sobald man in Khajuraho seine Unterkunft verlässt, lässt es sich kaum vermeiden, von einheimischen Schuljungen angesprochen zu werden. Einige der Jungs, die sich einem als Führer andienen, sprechen exzellentes Englisch und es fällt einem aufgrund ihrer offenen und sympathischen Art schwer, sie zurückzuweisen – vor allem, weil sie vorgeben, kostenlos und aus reinem Interesse an fremden Besuchern zu handeln. Hat man einen der „kleinen Führer“ erst einmal im Schlepptau, lässt er sich so leicht nicht abwimmeln, möchte gerne eine Cola ausgeben bekommen und sammelt Euromünzen… Auch wenn, es einem schwer fällt – besser gar nicht erst auf die Angebote eingehen. Möchte man einen Aufenthalt in Khajuraho mit einem Naturerlebnis verbinden, bietet sich der Besuch des „Panna National Parks“ an. Dieser befindet sich etwa 32 km außerhalb der Ortschaft an der Straße nach Satna. Um den Park zu besuchen, ist es nötig, einen Jeep zu mieten sowie einen Ranger zu engagieren. Eines aber sollte man in Panna trotz aller Versprechungen nicht erwarten: einen Tiger zu Gesicht zu bekommen. Laut einem indischen Fernsehbericht machen sich diese in diesem Areal schon seit Jahren so rar, dass das Zusammentreffen mit einem der Touristenjeeps eher einem Wunder gleicht. Nichtsdestotrotz lohnt ein Besuch, da man andere exotische Tiere wie Leguren, Axishirsche und Antilopen begegnen. Und auch das Gefühl in einem Gebiet aus dem Jeep zu steigen, in dem ein Tiger auftauchen KÖNNTE, macht einem doch ein mulmiges Gefühl und man fühlt sich ein wenig wie ein großer Abenteurer… Daneben besteht im Park die Möglichkeit eines Elefantenritts. Allerdings ist dieser, wie auch der Besuch des Parks an sich, nicht eben günstig. Am Abend lohnt sich im Ort der Besuch eines der vielen Dachterrassenrestaurants mit schönem Blick auf die Tempelanlagen – und mit etwas Glück auf die allabendliche Sound-&-Light-Show, welche die Tempel zu einheimischen Klängen in magisches Licht taucht.