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In Indien Kerala

Kerala – God’s own country

Begegnet man irgendwo in Indien Keralesen, stimmen diese sogleich in ein Loblied über ihren Bundesstaat – Werbespruch: „God’s own country.“ – ein. Nicht ganz zu Unrecht. Den an der Malabarküste, ganz im Südwesten des Subkontinents gelegenen Staat, unterscheidet einiges – etwa in Hinblick auf Bildung und Wohlstand – von allen anderen Regionen Indiens. In Kombination mit seiner bezaubernden Landschaft und dem tropischen Klima, ist es nicht verwunderlich, dass sich die etwa 33 Millionen Einwohner als „auserwählt“ fühlen.

Das Durchschnittseinkommen liegt in Kerala zwar nur knapp über dem indischen Schnitt, doch klafft die Schere zwischen Arm und Reich hier nicht in solch hohem Maße auseinander – man trifft beispielsweise kaum auf Slums oder ähnliches; der allgemeine Zustand der Städte macht insgesamt einen aufgeräumten, moderneren und weniger heruntergekommen Eindruck. Zu verdanken hat der Bundesstaat dies unter anderem einer konsequenten Agrarreform und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der kommunistischen Regierung (1957 ging hier erstmals überhaupt eine kommunistische Partei als Sieger aus freien Wahlen hervor). Hinzu kommen die Überweisungen derer, die ihr Glück in den Golfstaaten auf der anderen Seite des Arabischen Meeres gesucht und gefunden haben. Weit vorne liegt der Staat in puncto Alphabetisierung (90,9 %) oder Lebenserwartung (73,5 Jahre). Bemerkenswert ist zudem die gute Stellung der Frau in der Gesellschaft. So kommen auf 1.000 Männer 1.058 Frauen (Indien: 1.000 zu 933).

Von den großen Städten sind die Hauptstadt Thiruvananthapuram (früher und auch heute noch gebräuchlich: Trivandrum) sowie Kochi (Cochin) am sehenswertesten.
In der Hauptstadt findet sich der Padmanabha geweihte Sri-Padmanabhaswamy-Tempel mit seinem beeindruckenden siebenstöckigen gopuram. Der Gang rund um den Innenhof ist mit 324 Säulen und zwei Reihen Garnitpfeilern geschmückt. Der Schrein wird von Fresken und einem sechs Meter großen liegenden Vishnu geziert, Um den Tempel herum findet man außerdem sehenswerte Brahmanenhäuser. Im Kuthiramalika-Palast lässt auf besonders attraktive Weise die Schönheit der keralesischen Architektur erfahrbar gemacht. Der ehemalige Königssitz verfügt über das typische abfallende Ziegeldach und kunstfertige Holzschnitzereien, unter denen insbesondere die 122 Pferde am Gesims hervorzuheben sind. Heute befindet sich im Palast ein Museum, welches unter anderem einen Thron, gefertigt aus den Stoßzähnen von 50 Elefanten, ausstellt. Einen Besuch lohnt außerdem das Napier Museum, welches britische Kolonialarchitektur hervorragend mit einheimischen Elementen kombiniert. Es beherbergt seltene Skulpturen und Bronzen, Elfenbeinschnitzereien sowie einen Tempelwagen aus dem alten Königreich. Wenn man nach all den Besichtigungen Lust auf ein wenig Relaxen verspürt, bietet sich ein Ausflug nach Kovalam an, einem etwa 20 Kilometer entfernten sehr beliebten Urlaubsort mit herrlichen ausgedehnten Sandstränden.

Kochi in Kerala - Die Skyline
Kochi in Kerala – Die Skyline (Foro von challiyan)

Keralas zweitgrößte Stadt, Kochi, vereint die Einflüsse und Kulturen der verschiedensten Zeiten und Völker. Chinesen, Engländer, Portugiesen, Juden, Holländer – jeder hat in Kochi seinen Fingerabdruck hinterlassen. Den interessantesten Teil der Stadt erreicht man, indem man vom Bahnhof Ernakulam aus eine Rikscha oder ein Taxi zur Anlegestelle am Vembanad Lake nimmt (auch zu Fuß ist der Weg zu schaffen). Von dort nimmt man für wenige Rupien eines der Zahlreichen Linienschiffe nach Fort Kochi. Ist der landseitige Teil der Stadt noch vergleichsweise hektisch, stellt sich das historische Fort äußerst beschaulich dar. Fast hat man den Eindruck, sich in einem südeuropäischen Dorf zu befinden. In den engen Gassen begegnen einem holländische Kontorhäuser, englische Kolonialvillen, portugiesische Kirchen und jüdische Patriarchenhäuser. Auf keinen Fall verpassen sollte man auf seinem Rundgang durch das Dörfchen die 1887 errichtete Santa Cruz Cathedral sowie die St Francis Church, in der Vasco da Gama begraben lag, bevor er nach Portugal überführt wurde. Den perfekten Abschluss einer Besichtigungstour bildet ein Besuch der chinesischen Fischernetze zum Sonnenuntergang – mehr Postkartenidylle geht nicht! Die riesigen manuell betriebenen Netzkonstruktionen stammen aus dem 14. Jahrhundert und deuten auf Handelsbeziehungen zum Reich der Mitte hin.
Ein schöner Spaziergang bietet sich, wenn man Fort Kochi auf der River Road in Richtung Mattancherry verlässt. Man durchstreift das Quartier der Gewürzhändler und merkt ganz plötzlich, dass man sich eben doch nicht in Europa sondern in Indien befindet. Die Mischung der verschiedensten Farben und Gerüche ist einfach unbeschreiblich! In Matatancherry angekommen findet man einen von Portugiesen errichteten recht unscheinbaren Palast. Er beherbergt ein interessantes und gleichzeitig günstiges Museum zur regionalen Geschichte. Ein weiteres Kleinod findet sich ein wenig weiter: die Paradesi Synagoge. Bereits 1568 entstand die erste Synagoge (erste jüdische Siedler kamen vermutlich bereits im 1. Jahrhundert nach Indien) – die heutige stammt aus dem Jahre 1664. 1940 lebten noch 2.500 Juden in Kerala. Bis heute hat die Zahl durch Auswanderung allerdings sehr starkabgenommen (auf etwa 20), so dass Gottesdienste nur noch sporadisch abgehalten werden. Rund um die Synagoge, in der so genannten Jew Town, finden sich hauptsächlich Bauwerke im holländischen Stil, oft genutzt als Antiquitätengeschäft.

Kathakali - Tanz
Kathakali – Tanz (Bild von anandham)

Wer am Abend noch ein wenig mehr in die Kultur Keralas eintauchen möchte, dem bietet sich der Besuch einer der vielen Kathakali-Veranstaltungen an. Bei Kathakali handelt es sich um einen der ältesten Tanzformen Indiens. Er kombiniert die Kunstformen Literatur, Musik, Malerei, Schauspiel und Tanz auf einmalig harmonische Weise. Auffällig sind die aufwendigen Bemalungen der Darsteller, welche den Charakter festlegen und oft Stunden in Anspruch nehmen. Sollten Sie nach der Vorstellung noch ein alkoholisches Getränk zu sich nehmen wollen, wundern Sie sich nicht, wenn es Ihnen in einem Kaffeepott und Teekanne serviert wird – die Lizenz für Alkoholausschank ist in Kerala sehr teuer und wird auf diese Weise umgangen…

Nur wenige Kilometer außerhalb Kochis beginnt eines der Naturwunder Keralas: Die Backwaters. Sie erstrecken sich von Kochi im Norden bis Kollam im Süden auf einer Fläche von insgesamt 1.900 km². Dieses System etlicher Wasserwege umfasst 29 Seen und Lagunen, 44 Flüsse und unzählige künstliche und natürliche Kanäle. Mangroven- und Feuchtwälder findet man zwar nur noch selten, doch auch die heutige Vegetation aus Kokos-, Kautschuk- und Reisplantagen beeindruckt ebenso wie die vielfältige Fauna. Eine mehrstündige Tour durch die Kanäle – per Hausboot und/oder Kanu – zählt zu den ruhigsten Eindrücken in Indien. Die geführten Touren bringen einem sowohl die Natur, als auch die (Muschel-) Fischerei, die Landwirtschaft und die Lebensweise der Bewohner der Backwaters näher. In Kollam und Alappuzha besteht, neben den Tagestouren, auch die Möglichkeit, sich ein Hausboot für mehrere Tage zu mieten.

Neben all den Schönheiten der Lagunenlandschaft sollte man allerdings nicht vergessen, dass der Mensch durch Einleitung von Abwässern und Müll sowie Eindeichung und Landgewinnung, die Natur immerweiter zurückdrängt. So sind bereits Krokodile und viele Fischarten ausgestorben und die Fläche der Backwaters in den letzten 150 Jahren um 2/3 geschrumpft.

Ein Beispiel, dass sich der Eingriff des Menschen auch positiv auswirken kann, stellt das Periyar Tiger Reserve dar. Durch einen 1895 erbauten Damm entstand ein riesiger See. Heute ist dieser See Kern eines 777 km² großen Naturschutzgebiets, in dem man in einer wunderschönen Landschaft immer wieder auf Elefantenherden, exotische Vögel, Riesenhörnchen, Affen und und und trifft. Das Reservat befindet sich etwa 190 Kilometer nördlich von Kochi und ist per Bus zu erreichen. Vor Ort stehen zahlreiche Hotels zur Verfügung, von denen aus die Ausflüge in den Park organisiert werden können.

Zum Abschluss ein Kuriosum: Möchte man das schönste Beispiel der eindrucksvollen keralesischen Holzarchitektur kennen lernen, muss man den Staat im Süden einige Kilometer verlassen und nach Tamil Nadu fahren! Der Padmanabhapuram-Palast war zwischen 1590 und 1790 Sitz des Regenten von Travancore. Besonders sehenswert sind der Gebetssaal mit seinen wunderschönen Wandgemälden, die Ratskammer und der Mother’s Palace, dem ältesten Gebäude des vierteiligen Palastkomplexes.

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