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In Indien Reisen

Zug fahren in Indien

Indien ist groß (etwa neunmal größer als Deutschland)! Augrund dieser Größe und die sich zumeist in einem äußerst schlechten Zustand befindlichen Straßen, bietet es sich an, den Subkontinent per Fernzug zu bereisen – denn das indische Eisenbahnnetz ist hervorragend ausgebaut und reicht in alle Teile des Landes, auch wenn die Reisegeschwindigkeit mit der in Westeuropa nicht vergleichbar ist.
Das Reisen per Bahn ist zum einen sehr preiswert, zum anderen bietet es einem die Möglichkeit, Land und Leute im ganz normalen Alltag kennen zu lernen. Durch das große Angebot an Nachtzügen kommt dazu, dass man nicht sehr viel an eigentlicher Urlaubszeit verliert.

Da die Eisenbahn das bevorzugte Verkehrsmittel der Inder ist, sind Züge oft schon im Voraus ausgebucht – es empfiehlt sich also nicht den Versuch zu unternehmen, Tickets für Fernzüge am Schalter zu lösen. Über die Internetpräsenz der Indian Railways (http://www.irctc.co.in/) lassen sich die meisten Züge 91 Tage vor Reiseantritt buchen. Am besten legt man sich bereits vor dem Flug nach Indien einen persönlichen Account für die Website zu, auf den man während der Reise, etwa aus einem Internetcafé, jederzeit zugreifen kann. Um unnötigen Stress zu vermeiden und sich mit den Funktionen der Seite vertraut zu machen ist zu raten, schon von zuhause aus die erste Etappe der Zugreise zu reservieren. Der Weg zur Reservierung ist recht übersichtlich: Es muss die Art des Tickets (am einfachsten das selbst auszudruckende E-Ticket) und die gewünschte Wagenklasse gewählt sowie der Name, das Alter und das Geschlecht des Reisenden angegeben werden. Nach Auswahl der Zahlungsmethode werden einem die verschiedenen Verbindungen genannt. Leider besteht nicht die Möglichkeit, Verbindungen über eine bestimmte Ortschaft oder Anschlusszüge anzeigen zu lassen, wie man es aus Deutschland gewohnt ist. Hat man nun den Vorgang, inklusive Bezahlung, abgeschlossen, wird einem der Status der Reservierung angezeigt. Und nun geht es los: CNF, W/L, RAC – man wird mit den verschiedensten Abkürzungen und Ziffern konfrontiert, die man nicht kennt und erst recht nicht deuten kann. Selbst Einheimische tun sich schwer, einem etwa die Bedeutung von RAC (Reservation Against Cancellation) zu erklären. Wahrscheinlich vermutet man, dass mit der Bestätigung der Zahlung, alles geregelt ist. Weit gefehlt! Einzig wer ein CNF (Confirmed) auf seinem E-Ticket findet ist auf der sicheren Seite. RAC ist auch nicht schlecht – allerdings kann es sein, dass man dann eine Nacht zu zweit auf EINEM Liegeplatz verbringen muss, denn wirklich fest reserviert sind bei dieser Abkürzung nur zwei Sitzplätze. Aber immerhin – man darf in den Zug! W/L (Waitlist) heißt erst einmal nur, dass es noch eine Chance gibt, den Zug nutzen zu können. Die Zahl hinter dem Kürzel verrät einem, wie groß diese Chance ist. Bei W/L 1 groß (da es oft zu Stornierungen oder dem Nichtausnutzen von Sonderkontingenten, etwa für Soldaten, kommt), bei W/L 89 klein. Auf der Seite http://www.indianrail.gov.in/ kann man jederzeit verfolgen, ob und wie weit man auf der Warteliste nach oben gerutscht ist und ob sich der Status vielleicht schon in RAC oder CNF verändert hat. Noch einmal: Rechtzeitig buchen! Eventuell auch mehrere Züge an mehreren Tagen; das Stornieren ist sehr günstig! (Sollte man keinen Platz ergattern wird einem das gezahlte Geld ohne Aufforderung bargeldlos erstattet). Ist das Ticket „Confirmed“ – Herzlichen Glückwunsch! Man kann nun sicher sein, den gewünschten Zug in gewünschter Klasse nutzen zu können. Am besten findet man sich etwa eine Stunde vor der offiziellen Abfahrt am Bahnhof ein (die reale Abfahrt liegt meist zwischen 30 Minuten und drei Stunden später…).[ad] Am Abfahrtsgleis finden sich rechtzeitig Computerausdrücke mit den Passagierlisten. Nach kurzer Suche wird man seinen Namen finden, hinter dem sich der entsprechende Wagon inklusive Sitz- und gegebenenfalls Liegeplatz findet.

Das Klassensystem der Indischen Bahn ist – passend zum Buchungsvorgang – etwas komplizierter. Im Grunde genommen gibt es fünf Wagenklassen (davon abweichende finden sich nur auf wenigen Strecken oder werden nach und nach abgeschafft): Die erste Klasse genannt AC 1 (First Class Air Conditioned), AC 2 und AC 3 (wobei hier 2 und 3 offiziell nicht für die Klasse, sondern die Zahl der übereinander angeordneten Betten steht), die Sleeper Class und die 2nd Class (2. Klasse, welche eigentlich 5. Klasse heißen müsste).

Für kurze Strecken bis zu vier oder fünf Stunden kann man gut und gerne die 2nd Class nutzen – diese muss nicht im Voraus reserviert werden. Sie besteht aus einfachen Sitzbänken – meist aus Holz – und ist grundsätzlich überfüllt. Aus diesem Grunde weicht der geneigte Reisende gerne auf die Gepäcknetze aus („Are you satisfied with your seat?“). Hier kommt es schnell zu interessanten Gesprächen mit Einheimischen und man hat das Gefühl „mittendrin statt nur dabei“ zu sein.

Für längere Nachtfahrten sollte man auf die Sleeper Class ausweichen. Sie verfügt über den Charme von Gefängniszellen, wird über vergitterte Fenster sowie knatternde Ventilatoren belüftete und stellt gewissermaßen die Standardklasse für den indischen Reisenden dar. Aus eben diesem Grund besteht der Großteil eines Fernzuges aus Wagen dieser Klasse. Auch hier kommt man sehr gut in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung, sei es an den zahlreichen Bahnhöfen, wenn verschiedene Speisen und Getränke lautstark angeboten und durch die Gitterstäbe gereicht werden, sei es durch Musikanten, die während der Fahrt durch die Waggons ziehen oder – wie sooft – Bettler, vom kleinen Jungen bis zum Greis, die um kleine Gaben bitten. Am Abend werden die acht oder neun Sitze der Abteilungen zu Liegen umfunktioniert. Es ist ratsam, sein Gepäck entweder mit auf die Liege zu nehmen oder zumindest unterhalb der untersten anzubinden.

AC 3 (acht oder neun Liegeplätze pro Abteilung) und AC 2 (sechs Liegeplätze) unterscheiden sich von der Sleeper Class in erster Linie durch das zur Verfügung gestellte Bettzeug und die Klimaanlage – aus diesem Grunde sind die leicht verdunkelten Fenster auch immer verschlossen und der direkte Kontakt nach draußen unmöglich. Um am Bahnhof Proviant zu erwerben (an den staatlichen Ständen sehr zu empfehlen!) muss man also aussteigen. Am besten fragt man den Schaffner an der jeweiligen Station nach der Haltezeit. Doch auch wenn der Zug bereits anfährt erreicht man ihn noch leicht, denn die Türen stehen jederzeit offen und der Zug fährt sehr zögerlich an. Daneben werden gegen Aufpreis und auf Wunsch Mittag- und Abendessen am Platz gereicht. Während der Fahrt sind die Durchgänge zu den einfacheren Wagenklassen geschlossen, so dass das mitgeführte Gepäck unter Umständen sicherer sein könnte. Diese gehobenen – und deutlich teureren – Klassen bieten sich an, wenn man Transfers von über 20 Stunden Fahrt plant und sich ein wenig mehr Ruhe und Komfort gönnen möchte. Der Kontakt zum „echten“ indischen Leben bleibt allerdings, wie gesagt, ein wenig auf der Strecke.

Die First Class wird nicht auf allen Zügen angeboten. Im Unterschied zu allen anderen Klassen verfügt der Reisende hier über ein abschließbares Abteil (in AC 2 und 3 nur Vorhänge, in der Sleeper Class gar keine Abtrennung) für zwei oder drei Personen. Der Preis ist noch einmal erheblich höher, so dass sich eventuell bereits ein Inlandsflug lohnen könnte.
[ad]Für welche Klasse man sich auch entscheidet – Zug fahren gehört zu einer Indienreise einfach dazu. Die Eindrücke die man gewinnt – seien es Reisebekanntschaften, die Alltagsszenen am Bahnhof oder die wunderschöne an einem langsam vorbei ziehende Natur – machen alle Strapazen, die Hitze und die Verspätungen allemal wett!

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